Die glückliche Lage

Wir sind in der glücklichen Lage in Österreich zu leben.
Einen großartigen Wein haben wir noch dazu.

Österreichische Weine sind international höchst erfolgreich.

Unser Land genießt als Weinherkunftsland weltweit einen hervorragenden Ruf.

In einer wahrlich glücklichen Lage sind wir auch, weil wir in Österreich jede staatliche Maßnahme hinterfragen dürfen. Wir leben in einem freien Land, in dem jeder und jede die gleiche Chance haben sollte, egal aus welcher Ecke, aus welchem Bezirk, welcher Gemeinde oder welcher Gegend man kommt.

Das gilt gleichermaßen für den Wein.

Auf Grundlage dieser Überlegung werden wir kürzlich in Kraft getretene rechtliche Maßnahmen, nach denen die Herkunft von Weinen unterschiedlich bewertet werden soll, auf ihre Rechtskonformität überprüfen lassen. Die konkrete Ausgestaltung dieser neuen Herkunftsregelungen widerspricht nämlich – so sind wir überzeugt – insbesondere dem demokratischen Grundgedanken der Chancengleichheit. Aufgrund dieser Regelungen wird die Zukunft aller uns folgenden Winzergenerationen in negativer Weise beeinflusst.

Nichts (und niemand) ist mehr wert, allein auf Grund seiner Herkunft.

Die Ausgangslage

Im österreichischen Weinrecht und im Weinmarketing 
wurde das „romanische Prinzip“ eingeführt

Das heißt, man will sich stärker auf die Herkunft eines Weines als auf die Rebsorte oder auf die Qualität des Ausbaus konzentrieren. Das kennt man mittlerweile als „DAC“. Das Kürzel steht für „Districtus Austriae Controllatus“ und bezeichnet besonders gebietstypische österreichische Qualitätsweine.

Wenn also auf einem Weinetikett unmittelbar nach dem Namen eines Weinbaugebiets die Buchstabenkombination „DAC“ steht (bspw. „Weinviertel DAC“), handelt es sich um einen Wein mit unverwechselbarer Gebietscharakteristik. Nur ein solcher darf den Namen des Gebiets auf seinem Etikett tragen. Damit rückt die Herkunft in den Vordergrund und macht den Wein zu etwas Besonderem.

So weit, so gut.

Die Lage spitzt sich zu

Mit der letzten Novelle der Weinbezeichnungsverordnung geht es aber in den Augen vieler Winzer zu weit.

Im Zentrum dieser Novelle steht eine Regelung, die den – zunächst unscheinbaren – Titel „Erste Lage, Große Lage“ trägt. Diese Bestimmung läuft darauf hinaus, dass nicht mehr nur das Weinbaugebiet beworben, sondern die einzelne Riede („da, wo der Wein wächst“) bewertet, also „klassifiziert“ wird.

Im Kern sind nunmehr zwei unterschiedliche Kategorien angelegt: Bessere, also „erste Lagen“ (später folgen „große Lagen“) einerseits und „schlechtere Lagen“ andererseits.

An jede dieser Kategorien sind unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft. Für diejenigen DAC-Weine, deren Rieden als „in schlechterer Lage“ befindlich klassifiziert werden, darf die Bezeichnung „Erste Lage“ (bzw. „Große Lage“) nicht verwendet werden. Mit der Novelle wurde also ein hoheitliches Verbot der Bezeichnung eines DAC-Weines mit dem Begriff „Erste Lage“ (bzw. „Große Lage“) geschaffen, wenn für die jeweilige Riede keine entsprechende Klassifizierung erfolgt ist.

Die Bestrebungen zur Schaffung eines solchen Bewertungssystems sind nicht neu. Einige wenige österreichische Winzervereine versuchten bereits seit geraumer Zeit, durch massives Lobbying eine Regelung für eine solche Klassifikation ihrer und unser aller Weingartenlagen umzusetzen. Dies ist weder eine logische noch eine demokratische Entwicklung.

„Ich finde das ganz blöd, wenn von ein paar Wenigen verordnet werden soll, was eine gute Lage ist und was nicht. Ich bin für einen demokratischen Prozess, aber dieses Lagen-Denken ist ein hierarchisches Relikt.“

Der ehemalige Geschäftsführer der Wein-Dachmarketingorganisation ÖWM, Willi Klinger

Falstaff, 2015

Der Ernst der Lage

Worum geht es? Geht es um Qualitätskriterien?

Wohl kaum. Die „Lage“ (oder genauer die subjektive Bewertung einer Lage) eines Weins ist für Kunden und Kundinnen – so sind wir überzeugt – von minderem Interesse. Die persönliche Note der Winzer und Winzerinnen, also vor allem, wie der Wein schmeckt, den die Kunden zu kaufen bereit sind, ist viel wichtiger. Worum geht es also dann?

Es geht um Grundstücke und damit auch um Geld. Um viel Geld.

Mit der vordergründig unscheinbaren „Weinrecht-Sammelverordnung 2023“ wurde die Möglichkeit geschaffen, Vermögenswerte von gleich mehreren 100 Millionen Euro zu verschieben. Es liegt auf der Hand, dass Weingärten in „ersten Lagen“ mit einem Streich aufgewertet werden – zu Lasten der „schlechteren Lagen“, versteht sich. Betrachtet man nicht nur die unmittelbar betroffenen Grundstückspreise, sondern bezieht auch die von dieser Regelung in Folge beeinflussten Trauben- und Flaschenpreise mit ein, kommt man spielend auf noch viel höhere Summen.

In prekärer Lage

Sollte eine solche Klassifizierung durchgeführt werden, so wäre 
die Zugehörigkeit einzelner Grundstücke zu „ersten Lagen“ für manche Betriebe von 
enormer wirtschaftlicher Bedeutung.

Daher bedürfte die Etablierung von neuen Kriterien für die österreichische Weinwirtschaft eines demokratischen Prozesses, der über jeden Verdacht erhaben sein muss, zu einem wirtschaftlichen Sondervorteil Einzelner zu führen. Die Sorge, dass aufgrund unzureichender Regelungen die Personen mit den besten Kontakten auch die besten Lagen haben werden, ist nicht unbegründet.

Es ist nämlich vorgesehen, dass Regionale Weinkomitees und das Nationale Weinkomitee unsere Weinbaugebiete in „bessere“ und „schlechtere“ Lagen klassifizieren und das Ministerium diese Klassifizierung „einfach durchwinkt“. Ob gewährleistet ist, dass dieser Prozess und die Einbeziehung der Akteure in diesen Prozess den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechen, ist unseres Erachtens mehr als fraglich.

Gewiss ist nur, dass vor allem die Klassifizierungstätigkeit der Komitees Auswirkungen auf den privaten Besitz einer/s jeden Weinbautreibenden haben wird. Immerhin geht es um nichts weniger als um die Ab- oder Aufwertung von landwirtschaftlichen Grundstücken im Ausmaß von etwa 44.537 ha Grundfläche (für jene, die im Alltag wenig mit Flächenmaßen arbeiten, 445 370 000 m²). Das ist viel. Sehr viel.

Und wenn es um so viel Grund – und damit um viel Geld – geht, sollte besonders genau hingeschaut werden. Ein fairer, transparenter, nachvollziehbarer und vor allem demokratischer Prozess wäre das Mindeste, was zu erwarten ist. Leider Fehlanzeige.

Bessere Lage?

Jetzt mal ganz grundsätzlich gefragt:

Lässt man Kriterien, wie Sorte & Unterlage, Weingartenarbeit und die hochkomplexe Arbeit im Keller außer Acht, wie viel lässt sich auf Basis einer natürlichen Begebenheit, wie „der Lage“, über die Qualität des Endprodukts überhaupt aussagen? Und selbst wenn die „Lage“ Aussagen über die Qualität des Endproduktes treffen könnte, wie wirken sich relevante Einflussfaktoren, wie sich verändernde Witterungsbedingungen (Stichwort Klimawandel), auf die Aussagekraft der Klassifizierung aus?

Der renommierte Weinautor und Weinkritiker David Schildknecht hat dazu im Magazin Vinaria im Juni 2022 Folgendes gesagt:

„Jedwede Lagenbewertung wurzelt im Begriff des Terroirs. Kein Mensch, der diesen Begriff für valide hält, leugnet die wesentliche Rolle, die das Klima dafür spielt. Und niemand, der das Klima erforscht, kann die dramatisch beschleunigten Entwicklungen unserer Zeit verleugnen. Die Natur dürfte die heutigen Klassifizierungsbemühungen untergraben oder sogar auf den Kopf stellen.“

Auch Teile der Wissenschaft positionieren sich gegen das Klassifizierungssystem. Erst kürzlich hat die Leiterin des Instituts für Wein- und Obstbau an der Universität für Bodenkultur, Frau Univ. Prof. Dipl.-Ing. Dr. Astrid Forneck, in einem Standard-Interview Folgendes mit Blick auf das Klassifizierungssystem gesagt:

„Jeder Betrieb soll die Möglichkeit haben, erfolgreich zu sein – unabhängig von seiner Herkunft.“

Wir sagen daher:

Jede und jeder soll den Wein so produzieren und bezeichnen, wie er oder sie das will – so einfach und fair funktioniert freie Marktwirtschaft. Entscheiden, was ein „erster“ Wein ist, sollen weder Komitees noch Ministerien, sondern mündige Konsumentinnen und Konsumenten.

Die Rechtslage auf der Kippe?

Vor diesem Hintergrund werden wir die Rechtsvorschriften, die dieses neue Bewertungssystem betreffen, gerichtlich überprüfen lassen.

Pressespiegel

Liebe UnterstützerInnen!
Es ist soweit: Der Antrag zur Normenkontrolle wurde beim Verfassungsgerichtshof eingebracht. Aus Transparenzgründen findet Ihr hier das entsprechende Schriftstück. Wir sind überzeugt, dass die darin vorgebrachten Argumente klar und überzeugend sind. Alle persönlichen Daten der AntragstellerInnen sind aus Datenschutzgründen geschwärzt.